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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Deutschland 1933: Machtübernahme durch die Nationalsozialisten
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3. Österreich zwischen 1933 und 1938 als Asyl- und Transitland
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4. Rechtliche Grundlagen des Asyl- und Fremdenrechts in Österreich zwischen 1933 und 1938
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5. Zur Asylpraxis nach 1933
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6. Fremdengesetz gegen deutsche Flüchtlinge 1935-1938
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7. Deutsche Schriftsteller/innen im österreichischen Exil
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8. Verlage
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9. Carl Zuckmayer
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10. August Hermann Zeiz
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11. Hubertus Prinz zu Löwenstein und der Aufbau der "American Guild for German Cultural Freedom"
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12. Theater und Film
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Das Exilland Österreich zwischen 1933 und 1938


Viele versuchten zu flüchten, im April 1938 wuchs ihre Zahl auf 9.729 Personen an. Unter der Leitung Adolf Eichmanns kam es zur Errichtung der "Zentralstelle für jüdische Auswanderer" in Wien, die schikanös und erpresserisch Ausreisebewilligungen nur gegen Überlassung beträchtlicher Vermögenswerte erteilte. Hilfe gab es wenig: jüdische Selbsthilfeorganisationen, die Quäker, eine "Hilfsstelle für nichtarische Katholiken". Selbst bei der Flüchtlingskonferenz von Evian im Sommer 1938 erkannte Europa die Dringlichkeit des Problems nicht, erst nach der "Reichskristallnacht" im November 1938 begann man die wahren Dimensionen zu begreifen.

Die von der SS und SA organisierte Terrorwelle nach der Ermordung des Pariser Botschaftsangehörigen Ernst von Rath durch Herschel Grynszpan traf die Wiener Juden besonders hart. Es kam zu schweren Misshandlungen, 4000 Verhaftungen, 680 Selbstmorden, 49 Synagogen wurden niedergebrannt und ausgeraubt, 4038 Geschäfte wurden geplündert und beschlagnahmt. 4600 Juden wurden verhaftet und nach Dachau transportiert. (Hier wurden bis Mitte 1939 noch diejenigen entlassen, die sich verpflichteten, innerhalb von 14 Tagen Deutschland zu verlassen.)

Grynszpan, Herschel zeigen

Bis November 1941 sind von den 1938 in Österreich 185.246 lebenden Juden 128.500 emigriert, darunter viele Wissenschaftler und Künstler.

Von den 1938 bis 1945 deportierten 67.601 österreichischen Juden haben 2.142 das Kriegsende überlebt.

Berücksichtigt man die politischen Auseinandersetzungen zwischen Hitlerdeutschland und Österreich unter Dollfuß (1933-34) und Schuschnigg (1934-38), könnte man annehmen, dass zumindest bis zum Juli-Abkommen 1936 Österreich ein geeignetes Asyl- und Transitland für Flüchtlinge vor dem Nationalsozialismus hätte sein müssen, und zwar gleichermaßen für die aus politischen Gründen wie für die rassistischen Gründen Verfolgten. Diese Annahme erweist sich aber bei näherer Betrachtung als leider nicht zutreffend. Eine flüchtlingsfreundliche Haltung der Regierung des "Ständestaates" ist nämlich zu keinem Zeitpunkt festzustellen, im Gegenteil: Angesichts der Ereignisse in Deutschland ab Jänner 1933 wurden eine Reihe, in ihren Ursprüngen teilweise weit in die Monarchie zurückreichende (Schubgesetz aus dem Jahr 1871), von Gesetzen erlassen. Ihr Ziel war es, den Zustrom ausländischer Flüchtlinge zu verhindern und ihre "ordnungsgemäße" Abschiebung zu ermöglichen. Das "ordnungsgemäße" derartiger Amtshandlungen erleichterte einer breiten Öffentlichkeit ihre Gleichgültigkeit dem Schicksal der Flüchtlinge gegenüber ungemein. Erschwerend und als "abschreckende" Maßnahme kam hinzu, dass den Flüchtlingen dadurch die Existenz- wie auch die Rechtsgrundlage verwehrt worden war. Einen gravierenden Einbruch bedeutete insbesondere der Februar 1934 für die "Linke": die österreichischen Sozialisten und Kommunisten wurden selbst zu Verfolgten, zu Flüchtlingen und konnten wie vormals die Sozialdemokraten als immerhin im Parlament vertretene Partei keine, wenn auch bescheidene, Schutzfunktion oder Unterstützung mehr übernehmen.

Dollfuß, Engelbert zeigen

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