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KAPITEL

1. Einleitung
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2. Deutschland 1933: Machtübernahme durch die Nationalsozialisten
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3. Österreich zwischen 1933 und 1938 als Asyl- und Transitland
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4. Rechtliche Grundlagen des Asyl- und Fremdenrechts in Österreich zwischen 1933 und 1938
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5. Zur Asylpraxis nach 1933
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6. Fremdengesetz gegen deutsche Flüchtlinge 1935-1938
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7. Deutsche Schriftsteller/innen im österreichischen Exil
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8. Verlage
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9. Carl Zuckmayer
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10. August Hermann Zeiz
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11. Hubertus Prinz zu Löwenstein und der Aufbau der "American Guild for German Cultural Freedom"
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12. Theater und Film
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Das Exilland Österreich zwischen 1933 und 1938


"Der Begriff Kleinkunst wurde in Wien geprägt. Nach Hitlers Machtübernahme waren Wien und Zürich bevorzugte Stationen für Künstler aus Deutschland gewesen. Unter denen, die das Land verlassen mußten, waren sämtliche bekannte Namen der Berliner Kabarettszene wie Erika Mann, Max Colpe und Kurt Gerron. [...] Deutsche Kabarettisten, die es nach Wien verschlagen hatte, gründeten mit einer Gruppe junger österreichischer Autoren wie Peter Hammerschlag, Gerhart Hermann Mostar, Hugo F. Königsgarten, Hans Weigel, Rudolf Weiss kleine Theater, die sich im Keller von Kaffeehäusern befanden. Diese Kellertheater, die vorwiegend politisch ausgerichtetes Kaberett auf die Bühne brachten, wurden unter der Bezeichnung Kleinkunstbühnen zusammengefaßt." (Askin 1998, 136 f.)

Askin, Leo zeigen

Kabarett- und Kleinkunstbühnen

Der Ort, an dem die nach Wien exilierten Theaterleute Arbeit fanden und an dem sie sich zugleich in ihren Bedrohungen und Hoffnungen ausdrücken konnten, waren die Kleinkunstbühnen. Die Arbeit an den Kleinkunstbühnen mag für den einzelnen Schauspieler oder die einzelne Schauspielerin nicht unbedingt erste Wahl gewesen sein, sondern letzte Hoffnung nach enttäuschenden Ablehnungen großer Bühnen und Verweigerung von Arbeitsbewilligungen. Sie mag für zahlreiche österreichische Bühnenkünstler ein Weg aus der Arbeitslosigkeit oder ein Berufseinstieg gewesen sein. Das alles ändert nichts an der überragenden Bedeutung der Wiener Kleinkunstbühnen für eine Kultur des Widerstands und des Exils. Die Bedingungen, unter denen die Kleinkunstbühnen arbeiteten, glichen in vielem bereits den Bedingungen eines Theaters im Exil. Von der finanziellen Mittellosigkeit abgesehen, waren sie ständig von polizeilicher Schließung bedroht. Neben den exilierten deutschen Akteuren wirkten zahlreiche Österreicher, die nach der Machtergreifung der Nazis Deutschland verlassen mussten: Walter Mehring, Curt Brie, Gerhart Herrmann Mostar, Peter Hammerschlag, Kurt Robitschek, Leo Askenasy (=Leo Askin), Herbert Berghof, Benno Feldmann, Manfred Inger, Elisabeth Neumann, Traute Witt und Sonja Wronko. (vgl. Roessler, Kaiser 1986, 13) Für Jura Soyfer war die Kleinkunstbühne, nach dem Februar 1934, eine halblegale Möglichkeit, weiterhin als Autor zu wirken. Mit seinen "Mittelstücken" - kleine Dramen im Zentrum eines sonst aus Kabarett-Nummern bestehenden Programms - wurde er zu einem der bedeutendsten österreichischen Dramatiker.

Soyfer, Jura zeigen

Obwohl die Kleinkunstbühnen über Ensemble und Hausautoren verfügten und jeweils ein unverwechselbares Profil hatten, gab es doch einige Fluktuation. Die älteste Bühne war der 1931 gegründete "Liebe Augustin" im Café Prückl, dessen Leiterin, die Schauspielerin Stella Kadmon, 1938 ins Exil nach Palästina floh. Hausautoren waren der später in Auschwitz ermordete Peter Hammerschlag sowie der Deutsche Gerhart Herrmann Mostar und der in Brünn geborene Hugo F. Koenigsgarten, die beide Deutschland 1933 verlassen hatten müssen. Im November 1933 entstand die von Rudolf Weys und F. W. Stein ins Leben gerufene "Literatur am Naschmarkt", für sie schrieben unter anderem der 1938 in die Schweiz geflüchtete Hans Weigel und Rudolf Spitz, der bereits im Sommer 1933 das Kabarett "Die Stachelbeere" gegründet hatte und im englischen Exil zu einem wesentlichen Autor des "Laterndl" werden sollte. Für die "Literatur am Naschmarkt" schrieb Jura Soyfer sein Mittelstück "Der Lechner Edi schaut ins Paradies". Jura Soyfer war der zentrale Autor der politisch schärfsten Kleinkunstbühne "ABC". Diese wurde im März 1934 zunächst unter dem Namen "Brettl am Alsergrund" im Café City in der Porzellangasse eröffnet, und übersiedelte ein Jahr später in das Café Arkaden in der Universitätsstraße. Für das "ABC" schrieb Jura Soyfer die Mittelstücke "Der Weltuntergang", "Astoria", "Vineta" und "Broadway Melodie 1492". Der 13. März 1938 bedeutete das Ende für die Wiener Kleinkunstbühnen, die meisten ihrer Akteure wurden ins Exil getrieben oder kamen in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten um. Zu ihnen gehörte Jura Soyfer, der 1939 im Alter von 27 Jahren im KZ Buchenwald an Typhus starb. (vgl. Roessler, Kaiser 1986 und IWK 40 1/2 1985)

Ensemble des "Lieben Augustin" zeigen
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