zurück zum Inhaltsverzeichnis

KAPITEL

1. Überblick über die Situation der österreichischen Exilforschung
anzeigen

2. Die Jahre 1933 und 1934
anzeigen

3. Politische Orientierung der Exilanten nach der Massenemigration 1938
anzeigen

4. Das "andere Österreich" - die Kontroverse zwischen Lothar und Viertel
anzeigen

5. Anhang
anzeigen

 

Johann Holzner:
Österreichische Literatur im Exil


Um diesen Neubeginn geht es zuletzt auch in einem Aufsatz, den Oskar Kokoschka in der Startphase der Wiederherstellung der Selbständigkeit Österreichs, im Mai 1945 schreibt, allerdings erst 30 Jahre später veröffentlicht. Unter dem Titel "Das Wesen der österreichischen Kultur" verknüpft Kokoschka einen polemischen Rückblick in die Vergangenheit mit einem phantasievollen Forderungskatalog für die Zukunft. (Kokoschka 1975) Zwei Epochen, meint Kokoschka, gelte es wiederzuentdecken: zum einen die Phase der Vermischung der autochthonen Kultur der Donauländer mit dem Frühchristentum, zum anderen die Barockzeit. Das spezifische Charakteristikum der ersten Epoche ist darin zu sehen, dass die Mutteridee, ausgedrückt in vielen primitiven künstlerischen Darstellungen der weiblichen Figur, etwa in der Venus von Willendorf, dem abstrakten Monotheismus nicht untergeordnet, sondern gleichgestellt wird, sodass im Donauraum die sonst überall ausgeprägte Tendenz zu patriarchalischen Ordnungen sich nicht in der gleichen Weise durchsetzen kann. Das spezifische Charakteristikum der Barockzeit liegt dagegen im Zusammenwirken der verschiedensten Völker mit dem Ziel, im Kultbau mehr als den Altar einer Gottheit, nämlich "den ersten Volkspalast, das Paradies auf Erden zu schaffen". Es versteht sich, dass Kokoschka diese Epochen zitiert, weil er in beiden wie sonst nirgends in der Kultur- und Sozialgeschichte seiner Heimat Entwicklungen feststellt, die nach seiner Auffassung wiederaufgenommen und weiterverfolgt werden sollten.

Die Kritik der Herrenmoral, ausgedrückt in der Parteinahme für die Frau, seit Grillparzer ein Thema, aber kein Topos der österreichischen Literatur, und die Kritik des Nationalismus, die sich in Kokoschkas Engagement für eine Revitalisierung der Barockkultur artikuliert, diese nach Kokoschkas Einschätzung zukunftsweisenden Traditionsschienen sollten in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Österreich allerdings keine besondere Rolle spielen. Denn auf der Suche nach Überlieferungen, die so etwas wie Kontinuität von der Ersten zur Zweiten Republik verbürgen konnten, fanden die Daheimgebliebenen, die bald wieder den Ton angaben, eine Reihe von Möglichkeiten, die Kulturpolitik des Ständestaates mit leichten Modifikationen fortzuführen.

Kokoschka, Oskar zeigen
Kokoschka, Oskar zeigen
Leitfragen: Überblick Nr. 3 Johann Holzner: Österreichische Literatur im Exil zeigen
Leitfragen zu allen Überblicken und Porträts zeigen

S. 7/7 vorherige Seite - nächste Seite

  

IMPRESSUM | 2002 © UNIVERSITÄT SALZBURG