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KAPITEL

1. Joseph Roth - Romancier und Journalist
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2. Das Fragment Emigration
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3. "[...] da Gott die Juden vor Sünde bewahrt hat und da Er ihnen Glück durch Unglück beschert"
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4. Anhang
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Markus Kreuzwieser:
Davidstern und Kreuz. Joseph Roths ungewöhnliches Fragment Emigration (1937)


"Alle Sympathie - und täuschen wir uns nicht, sie ist nicht gering -, die das Dritte Reich außerhalb seiner Grenzen gefunden hat, hat ihren Grund in latentem Antisemitismus. In der Tat ist es dem Dritten Reich gelungen, die ganze Emigration mit dem Judentum identisch erscheinen zu lassen, und die Spekulation war richtig. Von vornherein nimmt man von jedem Emigranten an, er sei ein Jude." (Joseph Roth 3, 757)

V. "Auch", so fährt Roth fort, wenn "80, ja 90 % der Emigranten jüdisch" seien, "so sind sie [die jüdischen Emigranten, M. K.] dennoch nicht bezeichnend [...]", denn "numerische Mehrheiten" seien nie bezeichnend, und so folgt seine Forderung "Man vergesse nicht die Christen!".

Roth entwickelt die Ansicht, dass "in den Augen der Hitlerischen Heiden [...] nicht allein die Juden, sondern auch die Christen Kinder Israels" seien, " - und augenscheinlich ist es jedem Klarsichtigen, daß der Antisemitismus ein Vorwand war und daß er eigentlich ein Antichristianismus ist." Man habe "im Dritten Reich mit dem Boykott jüdischer Geschäfte angefangen, lediglich, um zu dem Boykott christlicher Kirchen vorzugehen. Man hat den Davidstern angespien, um das Kreuz anzugreifen. [...]" Alfred Rosenberg wisse wohl, "daß der Stern Davids und das Kreuz Christi miteinander verwandt sind, niemals aber das Kreuz mit dem Hakenkreuz."

Es sei zu spät, meint Roth, den "deutschen Christen" einen Vorwurf zu machen, "daß sie nicht zeitig genug erkannt haben, in welche Gefahr sie sich begaben, als sie teilnahmslos beinahe, indifferent auf jeden Fall der Rassengesetzgebung gegen die Juden gegenüberstanden."

"Vielleicht" schreibt Roth, "haben hier zum erstenmal in der europäischen Geschichte die Juden ihre Haut für das Christentum zu Markte getragen, und vielleicht liegt dieses im Sinne der Vorsehung, deren Sinn und Wege wir nicht kennen." Er hält fest: "[...] so wie - noch vor vier Jahren - der Name Moses als Schandname galt, ist es heute der Name Jesus Christus. Nein! Man hatte nicht eigentlich den Davidstern gemeint, der ohnehin nicht zu fürchten war. Man hat das Kreuz gemeint, das man weit mehr fürchtet." (Joseph Roth 3, 758)

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