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KAPITEL

1. Joseph Roth - Romancier und Journalist
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2. Das Fragment Emigration
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3. "[...] da Gott die Juden vor Sünde bewahrt hat und da Er ihnen Glück durch Unglück beschert"
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4. Anhang
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Markus Kreuzwieser:
Davidstern und Kreuz. Joseph Roths ungewöhnliches Fragment Emigration (1937)


Roth spitzt zu: "Als Hitler an die Macht kam und sein Werk 'Mein Kampf' von allen ergebenen Zungen gelobt wurde, war der Vergleich Hitler - Luther geradezu landläufig. Wir haben hier nicht die innere Wahrheit dieses Vergleiches zu prüfen. Dem Verfasser dieser Zeilen scheint es in der Tat, daß das Neuheidentum Hitlers zusammenhängt mit den Thesen von Wittenberg und ohne diese undenkbar wäre. Aber angesichts der Verfolgungen der protestantischen Kirche verstummen die persönlichen Überzeugungen des Autors dieser Zeilen. Verstummt sind ja auch im Dritten Reich diejenigen, die Hitler mit Luther verglichen."

Die Juden seien "auf einen Angriff vorbereitet" gewesen, die "deutschen Katholiken hätten es sich leicht denken können, daß sie vom Dritten Reich verfolgt würden", die "Verfolgung der protestantischen Kirche in Deutschland" aber sei "ebenso eine Originalität des Dritten Reiches wie die Rassengesetze gegen die Juden." Die deutschen Protestanten hätten zuerst geschwiegen, denn "seit dreihundert Jahren" hätten sie "sozusagen keine Tradition im Verfolgtwerden". Dann aber hätten sie sich "sehr schnell gewöhnt", und "ihre Reaktionen waren heftiger und prompter sogar als die der Katholiken." Die Gründe dafür sieht Roth in der Abhängigkeit der Priester von Rom und der komplizierten geistlichen Hierarchie der katholischen Kirche. Die protestantischen Geistlichen hingegen hätten "mehr politische Bewegungsfreiheit" und "konnten prompter reagieren" und "sie haben reagiert."

Die Nationalsozialisten hatten nach Roths Ansicht geglaubt, nach "einem Scheinkonkordat mit dem Vatikan sei es ganz leicht, mit der Idee Christi fertig zu werden [...]."

Aber die Protestanten wären von "einer Leidenschaft erfüllt, welche die Grenze des Märtyrertums erreicht" und "niemals war in Deutschland die Beziehung zwischen Protestantismus und Katholizismus so stark wie jetzt. [...] Jener Geist, der stets das Böse will und stets das Gute schafft, hat hier in einer überraschenden Weise gewütet. Zum erstenmal in der deutschen Geschichte seit der Revolution gibt es eine echte Solidarität zwischen Protestanten und Katholiken. Sehr wenige Protestanten emigrieren aus Deutschland. Es liegt in der Natur ihrer Religion, nicht auszuwandern, sondern eben zu bleiben und zu protestieren. Der leibliche Untergang ist ihnen gewiß. Sie befruchten mit ihrem Blut die deutschen Felder, aus denen in den nächsten Jahren schon neue christliche Äcker werden." (Joseph Roth 3, 761f.)

IX. Im neunten Abschnitt wendet sich Roth nach Juden und Christen der so genannten "linken Bewegung" zu, denn "neben den Juden bilden den größten Teil der Emigration die sogenannten 'revolutionären' Elemente, Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten." Und diese erlebten nun "zum erstenmal das Schicksal ihrer geistigen Väter." Sie seien in Deutschland "saturiert von Legalität" und "fast schon im Begriff [gewesen], zwar nicht ihre Ideen aufzugeben, wohl aber jenen 'Elan' zu verlieren, der integraler Bestandteil jeder revolutionären Idee ist."

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