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KAPITEL

1. Biographische Daten und Kontexte
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2. Hilde Spiel - Die hellen und die finsteren Zeiten - Erinnerungen 1911 - 1962
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3. Hilde Spiel - "Der kleine Bub Desidere" - Frühe Erzählungen
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4. Hilde Spiel - "Kati auf der Brücke", 1933
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5. Hilde Spiel - "Fanny von Arnstein oder Die Emanzipation"
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6. Hilde Spiel - "Lisas Zimmer"
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7. Hilde Spiel - "Welche Welt ist meine Welt?"
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8. Hilde Spiel - "Rückkehr nach Wien" - Ein Tagebuch
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9. Anhang
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Wilhelm Kuehs:
Hilde Spiel (1911-1990)


"[...] hätte ich sie als junges Mädchen beschrieben, das so exzentrisch, so verrucht, so manieristisch stilisiert war, wie es dem Zeitgeist der Wiener Zwanzigerjahre unter anderem auch entsprach. Das Einglas schon damals, wenn auch ohne Diamant. Ein ebenmäßiges Gesicht, tiefblau, sehr kurzsichtige Augen, das schwarze Haar im Eton-Schnitt. Outrierte Kleider, die ihre weniger hübsche Schwester Grete entwarf. Mit fünfzehn schlief sie schon herum, was wir anderen noch lange nicht taten. In ihrem luxuriösen Zimmer der elterlichen Wohnung - ihr Vater ein Rechtsanwalt, beriet und vertrat die Operettenwelt - gingen gleichzeitig mehrere Liebhaber aus und ein, darunter ein gräflicher Monsignore, mit dem Kaiserhaus verwandt. Manchmal gab sie sich lesbisch, nannte sich Hans und rühmte sich, das hübsche Stubenmädchen des Hauses verführt zu haben. Auch ihren jüngeren Bruder Fritz ließ sie nicht verschont - er beging Selbstmord mit siebzehn Jahren." (Spiel 1989, 62)

Das Zusammenspiel der Einflüsse aus der Wiener Bohème und dem Besuch der Universität, die Vorlesungen von Moritz Schlick, Charlotte und Karl Bühler bildeten die Grundlage des Weltbildes Hilde Spiels. An der Universität kommt Spiel auch mit dem Sozialwissenschaftler Paul Lazarsfeld und mit dem Wiener Sozialismus in Kontakt. An der "Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle", die Lazarsfeld gemeinsam mit Ludwig Wagner 1919 gegründet hatte, arbeitet Spiel zeitweise. Ihr Vater ist gegen das Engagement, das sie für den Sozialismus entwickelt. Aber die Atmosphäre des Aufbruchs, des Geists der Veränderung, des tendenziell Revolutionären, übt eine große Faszination auf sie aus.

Lazarsfeld, Paul zeigen

"Emotionelle mehr als rationale Gründe haben uns nach links gerückt. [?], sehr bald auch die Songs von Bert Brecht, die wir in den Versuche-Heften lasen: 'Da musst du den ganzen Staat/Von unten bis oben umkehren/Bist du deine Suppe hast.' Wer dies nicht will in frühen Jahren, dem braucht man im Alter nicht zu trauen. Kommunisten wurden wir dennoch nie." (Spiel 1989, 82 f.)

Hilde Spiels erster Roman "Kati auf der Brücke" erscheint 1933. In den Monaten darauf unternimmt Spiel Reisen in die Schweiz und nach Frankreich. Sie versucht sich an einem neuen Roman mit dem Titel "Sonderzug", der aber Fragment bleibt. Mit der Machtübernahme durch Dollfuß beginnt sich Spiel politisch zu engagieren. Sie tritt der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei.

"Wir riefen Parolen, wir sangen "Brüder zur Sonne zur Freiheit" und reckten die Fäuste hoch. Ich stand, das meine ich immer noch so, auf der richtigen Seite. Und doch spürte ich, während ich die Wärme der gleichgesinnten Masse um mich als wohltuend und tröstlich empfand, zugleich einen leichten Schauder vor dem Verlust meiner Individualität. Nachdem die SDAP nach dem Februar 1934 vernichtet worden war, bin ich nie wieder einer Partei beigetreten." (Spiel 1989, 99)

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