zurück zum Inhaltsverzeichnis

KAPITEL

1. Die politische Natur und Tradition des Widerstandsbegriffs
anzeigen

2. Positives Recht und Naturrecht
anzeigen

3. Die romantische Frage nach dem Widerstand der Poesie
anzeigen

4. Fragwürdige Darstellbarkeit des Zeitgenossen
anzeigen

5. Parallelität von politischer und ästhetischer Neuorientierung
anzeigen

6. Weltanschauliches Engagement und ideologische Skepsis
anzeigen

7. Nachkriegssituation
anzeigen

8. Differenz und Übereinstimmung zwischen Exil- und Widerstandsliteratur
anzeigen

9. Anhang
anzeigen

 

Konstantin Kaiser:
Literatur und Widerstand


"Ein Dichter, der zum Beispiel heute gegen Hitler und gegen das Dritte Reich nicht kämpfte, ist gewiß ein kleiner, schwacher Mensch und wahrscheinlich auch ein wertloser Dichter. (...) Die Aufgabe des Dichters in unserer Zeit ist - um Ihre Frage ganz präzise zu beantworten: der unerbittliche Kampf gegen Deutschland, denn dieses ist die wahre Heimat des Bösen in unserer Zeit, die Filiale der Hölle, der Aufenthalt des Antichrist." (J. Roth, 1934/1991, 559)

Und vielleicht sollte auf einen Text noch hingewiesen werden, der trotz seines komplexen, ins Mythisch-Religiöse reichenden Potentials als wichtiger Zeitroman über die Durchsetzung faschistischer Haltungen gerade im dörflich-agrarisch-katholischen Österreich zu rechnen ist: Hermann Brochs Roman "Die Verzauberung" (1935), für P. M. Lützeler ein "antifaschistischer Roman" nicht im realistischen Sinn, sondern von "symbolisch-parabelhaften" Zügen (Lützeler 1983, 7). Aus den brieflichen Kommentaren Brochs ist zu entnehmen, dass dieser Roman, von dem drei Fassungen existieren (z. B. als "Bergroman", als "Filsmann-Projekt"), wesentlich durch "die politischen Ereignisse der Welt im allgemeinen, vom Februar und Juli [1934] im speziellen" (Broch, 19.10. 1934, zit. nach Lützeler 1983, 38) motiviert war und parallel zu einer - erst später und modifiziert zustande gekommenden - Studie über den Irrationalismus (Massenwahntheorie) konzipiert wurde.

Letzten Endes hat die Nachkriegszeit in ihrer tendenziell oberflächlichen und z. T. verspäteten Abrechnung mit dem Faschismus - in den 50er Jahren ist gerade nur auf die Romane von Gerhard Fritsch und Hans Lebert als Ausnahmeerscheinungen zu verweisen (Menasse 1992, 102 f.) - den Ausschlag dafür gegeben, dass die antifaschistische Literatur Österreichs gewissermaßen fragmentarisch geblieben ist. Österreich schlug nach Kriegsende einen anderen Weg ein, als ihn der antifaschistische Widerstand begonnen hatte, und eine Entwicklung, die zu keinem Abschluss kommt, nötigt auch ihrer Beschreibung einen fragmentarischen Charakter auf.

Der letzte Fackelträger der Stafette, er kam nicht an, - er stürzte wo, - er fiel ... Und unterbrochen ist die Läuferkette, die Zeit verwirrt und ohne Fest und Ziel. (Hakel 1950, 7)

Der Nationalsozialismus hatte ein "Niemandsland zwischen die Generationen" (Anna Seghers) gelegt, aber dieser trennende Abstand wurde nicht durch bewusste Anstrengungen überwunden, sondern, vor allem im Zeichen des Kalten Krieges, sogar dazu ausgenutzt, um auf dem Gebiet der Kunst fortschrittliche Ansätze zu isolieren. Bezeichnend dafür ist die sogenannte "Brecht-Blockade" (vgl. Pellert 1979).

S. 11/14 vorherige Seite - nächste Seite

  

IMPRESSUM | 2002 © UNIVERSITÄT SALZBURG