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KAPITEL

1. Die politische Natur und Tradition des Widerstandsbegriffs
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2. Positives Recht und Naturrecht
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3. Die romantische Frage nach dem Widerstand der Poesie
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4. Fragwürdige Darstellbarkeit des Zeitgenossen
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5. Parallelität von politischer und ästhetischer Neuorientierung
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6. Weltanschauliches Engagement und ideologische Skepsis
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7. Nachkriegssituation
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8. Differenz und Übereinstimmung zwischen Exil- und Widerstandsliteratur
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9. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Literatur und Widerstand


Für die damaligen Debatten über Literaturtheorie - insbesondere für den Streit zwischen Bertolt Brecht und Georg Lukàcs (der ja nur zum Teil öffentlich stattgefunden hat) gilt, dass die Probleme nicht aus der Theorie in die Literatur gelangt sind, sondern aus der Wirklichkeit in die Literatur und ihre Theorie. "Aber die Hauptschwierigkeiten der Literatur kommen nicht von der Emigration", schreibt Brecht 1937, "sondern von dem Zustand der Welt, dessen Folge unter anderem die Emigration ist. Nicht nur die deutsche Literatur befindet sich in einer tiefgreifenden Krise [...] Der immer mehr wachsende Widerspruch zwischen der kapitalistischen Produktionsweise und den Produktivkräften des Kapitalismus irritiert die Literatur immer mehr; sie wird nachgerade der Ausdruck dieses Widerspruchs. Die Darstellung des menschlichen Zusammenlebens wird desto schwieriger, je schwieriger dieses Zusammenleben selber wird." (Brecht 1967, 289)

Der "Widerspruch zwischen der kapitalistischen Produktionsweise und den Produktivkräften des Kapitalismus" meint hier die Tatsache, dass die Menschen sich in den gesellschaftlichen Verhältnissen, die sie selber geschaffen haben, nicht mehr wiederfinden, dass der Mensch nur außerhalb des sozialen Zusammenhangs Mensch zu sein scheint. Jura Soyfers "Lied des einfachen Menschen" drückt das Dilemma schlagend aus:

Menschen sind wir einst vielleicht gewesen Oder werden´s eines Tages sein, Wenn wir gründlich von all dem genesen. Aber sind wir heute Menschen? Nein!

Wir sind der Name auf dem Reisepaß, Wir sind das stumme Bild im Spiegelglas, Wir sind das Echo eines Phrasenschwalls Und Widerhall des toten Widerhalls.

Längst ist alle Menschlichkeit zertreten, Wahren wir doch nicht den leeren Schein! Wir, in unsern tief entmenschten Städten, Sollen uns noch Menschen nennen? Nein!

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