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KAPITEL

1. Die politische Natur und Tradition des Widerstandsbegriffs
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2. Positives Recht und Naturrecht
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3. Die romantische Frage nach dem Widerstand der Poesie
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4. Fragwürdige Darstellbarkeit des Zeitgenossen
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5. Parallelität von politischer und ästhetischer Neuorientierung
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6. Weltanschauliches Engagement und ideologische Skepsis
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7. Nachkriegssituation
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8. Differenz und Übereinstimmung zwischen Exil- und Widerstandsliteratur
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9. Anhang
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Konstantin Kaiser:
Literatur und Widerstand


Wir sind der Straßenstaub der großen Stadt, Wir sind die Nummer im Katasterblatt, Wir sind die Schlange vor dem Stempelamt Und unsre eignen Schatten allesamt.

Soll der Mensch in uns sich einst befreien, gibt´s dafür ein Mittel nur allein: Stündlich fragen, ob wir Menschen seien, Stündlich uns die Antwort geben: Nein!

Wir sind das schlecht entworfne Skizzenbild Des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt. Ein armer Vorklang nur zum großen Lied. Ihr nennt uns Menschen? Wartet noch damit! (Soyfer 1980, 214)

Soyfer, Jura zeigen

Die Literatur kann den Menschen unter den gegebenen Bedingungen nicht einfach als da-seiend darstellen, ohne den Anspruch auf volle Menschlichkeit zu verkürzen, ohne Gefahr zu laufen, die gegenwärtige Misere als das "Schlechthin-Menschliche" zu verabsolutieren. Zugleich ist die Literatur, wie die Kunst überhaupt, darauf verwiesen, den Menschen in seinem konkreten Lebensprozess zu gestalten; ein abstrakter Begriff eines möglichen Menschen kann ihr nicht Genüge tun.

Der Machtantritt des Faschismus hat diese Problematik noch radikalisiert. Die trügerische Sekurität der Stabilisierungsperiode nach 1924, die sich künstlerisch in der Richtung der "Neuen Sachlichkeit" spiegelte, war wie weggeblasen. Die Zeichen standen wieder auf Krieg. Angesichts des Ernstes der Niederlage, die freilich nicht über Nacht kam, wurde offenbar, dass "ein erheblicher Teil der so genannten linken Literatur gar keine andere gesellschaftliche Funktion besaß, als der politischen Situation immer neue Effekte zur Unterhaltung des Publikums abzugewinnen." "Die Verwandlung des politischen Kampfes aus einem Zwang zur Entscheidung in einen Gegenstand kontemplativen Behagens" (Benjamin 1966, 105 und 108) war nun Methode, die Bankrott gemacht hatte. Die Frage nach einer engagierten Literatur, die imstande war, mehr zu tun, als dem linksliberalen Vorurteil zu schmeicheln und sich auf sprachlich-ästhetische Programmatik zu begrenzen, stellte sich neu.

Benjamin, Walter: Jenseits der Grenze zeigen

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