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KAPITEL

1. Begriffsbestimmung und Bedingungen des Exils
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2. Von der Dauer des Exils
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3. Sprache
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4. Selbstmord
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5. Ausblick
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6. Anhang
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Wilhelm Kuehs:
Exil - Aspekte und Kontexte


Beispiele finden sich unter anderem bei Robert Neumann, Alfredo Bauer und Anna Gmeyner. Als trauriges Kuriosum ist hier anzuführen, dass dieser Sprachwechsel dazu beitrug, dass Autoren vergessen wurden. So erschienen zwei Romane von Hans Flesch-Brunningen in englischer Originalausgabe, wurden aber nie ins Deutsche übersetzt.

Nicht alle wollten oder konnten einen Sprachwechsel vollziehen, z. B. Theodor Kramer, Ernst Waldinger oder Berthold Viertel. Es ist schwer vorstellbar, dass Hermann Broch den Roman "Der Tod des Vergil" selbst in englischer Sprache verfasst hätte, wo doch Stefan Zweig - zur Übersetzbarkeit des Werkes befragt - dies als unmöglich abtat. Der Roman wurde dann doch ins Englische übertragen, und zwar von Jean S. Untermeyer, die den Roman, noch während Broch daran schrieb, quasi simultan übersetzte. (vgl. Durzak 1967, 49 f.)

Viertel, Berthold zeigen
Kramer , Theodor zeigen
Kramer, Theodor zeigen

Für viele hat sich auch die Frage aufgedrängt, ob man in der Sprache der Nazis überhaupt noch schreiben könne, ob sie nicht für immer korrumpiert und zerstört sei. Das verschärfte den Konflikt, dem die Exilanten ohnehin ausgesetzt waren. Auf welcher Seite stand man?

"Denn für alle Exilanten gilt, was ich an letzter Stelle nennen möchte: Probleme der Loyalität, der Angst und schließlich, schlicht und schlechthin, des Heimwehs - Kernprobleme also, deren Bewältigung die psychischen Kräfte der Heimatlosen häufig überfordert hatten und darum zu Übersteigerungen, Verformungen oder Zusammenbrüchen Anlass gaben.

Schlimmer als körperliche Entbehrungen oder selbst Existenzsorgen waren, so meine ich, das gespaltene Bewußtsein, die schizophrene Geistes- und Gemütshaltung, unter denen, vor allem nachdem die Feindseligkeiten ausgesprochen waren, nahezu jeder der Emigranten litt. Was es nur hieß, den Krieg, dieses grauenhafte Übel, willkommen heißen zu müssen, weil sonst ein Schrecken ohne Ende in Aussicht stand. [?] Ein österreichischer Landwirt, aus Ekel vor dem Anbruch des Hitlerregimes nach England geflohen, faßte dies einmal in dem Seufzer zusammen, es hätte ihm nie geträumt, daß er einmal mit den Chinesen würde gegen die Tiroler kämpfen müssen." (Hilde Spiel: Psychologie des Exils, 435 f.)

Durch die Erfahrung des Exils änderte sich die Literatur radikal. Alles steht in Zusammenhang mit der neuen, bedrohlichen Lebenssituation. Und jene, gegen die man kämpft, beeinflussen die eigene Arbeit in einem so hohen Maße, dass man sich fragen muss, ob sie nicht trotz allem gewonnen haben. Es gab vorderhand zwei Wege, die von den Autoren häufig gewählt wurden. Einerseits der offene literarische Widerstand. Das eigene Schaffen wurde in den Dienst des Kampfes gegen den Faschismus gestellt. Andererseits der Rückzug in den historischen Roman und in forcierte ästhetische Experimente.

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