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KAPITEL

1. Rudolf Frank: "Fair play". Entstehung, Edition, kritische Urteile
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2. Wien als Stadt des Exils
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3. Geschichte und Roman: Historische Innensichten. Wiener Theater und Kleinkunstbühnen
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4. Geschichte und Roman: Historische Außensichten: Sozioökonomische Gegebenheiten, politische Strukturen, ideologische Legitimationsmuster
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5. Abschließende Bemerkungen
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6. Anhang
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Beatrix Müller-Kampel:
Als Exilant im austrofaschistischen Wien - Rudolf Franks autobiographischer Zeitroman "Fair play"


"'Wir wollen Butter statt Kanonen', hallt es wider durch die Straßen und Gassen. Und: 'Nieder mit den Austronazis! Nieder mit den Weißstrumpfisten! Schuschnigg! Schuschnigg! Schuschnigg! [...] Es klingt wie eine Beschwörung: Schuschnigg, bleib fest und werde fester! Schmeiß die Bagage raus! Nieder mit den Austronazis! Nieder mit den Nazis, Schuschnigg! 'Schuschnigg, Schuschnigg, rotweißrot bis zum Tod, bis zum Tod!' beschwört das Volk ihn rings um das Belvedere die ganze Nacht. Und Schuschnigg hört. Und er entschließt sich in derselben Nacht, den lange erwogenen Plan auszuführen und das Plebiszit zu veranstalten, zu dem Hitler früher gedrängt und zu dem ihm im letzten Dezember der König von England durch Österreichs Gesandten in London geraten hatte: Ein Ja für Österreich und seine Unabhängigkeit innen und außen. [...] 'Mander, es isch Zeit!' hatte einst Hofer, Andreas aus dem Passeiertal bei Meran die Tiroler aufgerufen zum Kampf gegen die Bayern. Wieder steht ein bayrisches Korps an der Grenze. <Mander, es isch Zeit! - Das war die Parole.> Mander, es isch Zeit! denkt der Doktor von Schuschnigg, der plötzlich aus einem autoritären Bundeskanzler zum Anführer nationaler Erhebung geworden ist. [...] Mander, es isch Zeit! Seine Österreicher werden ihn nicht verlassen. Nach diesem Plebiszit wird kein Hitler mehr seine Legalität bezweifeln." (Frank 1998, 309 f./Ts 281 f.)

"Jeder freiheitlich gesinnte Arbeiter, jeder ehrliche Österreicher [/] stimmt am Sonntag mit Ja!" lässt die illegale KPÖ auf ein Flugblatt setzen, (zit. nach DÖW 1975, 305) und die Parteikonferenz der Revolutionären Sozialisten Österreichs äußert sich ebenfalls in diesem Sinne, denn "Die Ja-Stimme des österreichischen Arbeiters, der keine andere Wahl hat, ist keine Stimme für das autoritäre Regime und Schuschnigg, sondern sie ist eine Stimme gegen Hitler und die Gleichschaltung." (zit. nach ebenda, 163 f.)

Schuschnigg, Kurt (von) zeigen
Kommunistische Partei Österreich zeigen
Hitler, Adolf zeigen

"'Wieviel Prozent geben denn Sie unserem Schuschnigg?'", fragt Lili ein Zensor im Wiener Rathaus. "'Siebzig', vermutet Lili. 'Aber allermindestens', dreht er auf. 'Alles, was gegen den Schuschnigg war, stimmt doch jetzt für ihn: Für Schuschnigg gegen den Schuschnigg-Kurs. Da ham mir sogar zünftige Nazis, die geben ihm am Sonntag ihre Stimm. I bitt Sie: Wer san denn unsere Nazis? Vor dreißig Jahren warens Christliche, vor zwanzig Jahren warens Sozis, vor zehn Jahren warens bei der Heimwehr. Nazis, däs san bei uns die, die immer zur Majorität rennen, heut da, morgen da.'" (Frank 1998, 313)

Auf die Ankündigung des Plebiszits hin gibt Hitler am 11. März Hitler die "Weisung Nr. 1, Betr. Unternehmen Otto" : "Ich beabsichtige, wenn andere Mittel nicht zum Ziele führen, mit bewaffneten Kräften in Österreich einzurücken". Brieflich und telefonisch werden aus Berlin mehrere Ultimaten gestellt, um 16 Uhr tritt Schuschnigg zurück, um 19 Uhr 50 hält er im österreichischen Rundfunk seine Abschiedsrede:

"Der heutige Tag hat uns vor eine schwere und entscheidende Situation gestellt, nach welchem der Herr Bundespräsident einen ihm vorgeschlagenen Kandidaten zum Bundeskanzler zu ernennen und die Regierung nach den Vorschlägen der deutschen Reichsregierung zu bestellen hätte, widrigenfalls der Einmarsch deutscher Truppen für diese Stunde in Aussicht genommen werde. Ich stelle fest vor der Welt, daß die Nachrichten, die in Österreich verbreitet wurden, daß Arbeiterunruhen gewesen seien, daß Ströme von Blut geflossen seien, daß die Regierung nicht Herrin der Lage wäre und aus Eigenem nicht hätte Ordnung machen können, von A bis Z erfunden sind. - Der Herr Bundespräsident beauftragt mich, dem österreichischen Volk mitzuteilen, daß wir der Gewalt weichen. Wir haben, weil wir um keinen Preis, auch in dieser Stunde nicht, deutsches Blut zu vergießen gesonnen sind, unserer Wehrmacht den Auftrag gegeben, für den Fall, daß der Einmarsch durchgeführt wird, ohne wesentlichen Widerstand, ohne Widerstand, sich zurückzuziehen und die Entscheidung der nächsten Stunde abzuwarten. [...] So verabschiede ich mich in dieser Stunde von dem österreichischen Volk mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch: Gott schütze Österreich." (Scheithauer u. a. 1984, 58 f.)

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