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KAPITEL

1. Rudolf Frank: "Fair play". Entstehung, Edition, kritische Urteile
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2. Wien als Stadt des Exils
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3. Geschichte und Roman: Historische Innensichten. Wiener Theater und Kleinkunstbühnen
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4. Geschichte und Roman: Historische Außensichten: Sozioökonomische Gegebenheiten, politische Strukturen, ideologische Legitimationsmuster
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5. Abschließende Bemerkungen
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6. Anhang
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Beatrix Müller-Kampel:
Als Exilant im austrofaschistischen Wien - Rudolf Franks autobiographischer Zeitroman "Fair play"


"Lili sieht auf die Uhr: Zeit zur Generalprobe" von Hauptmanns "Webern". "An der weißen Wand des Ganges und die Treppe hinauf, die zur Saalbühne führt, stehen Schauspieler, Schauspielerinnen, Komparsen, in Weberlumpen gekleidet. Da stehen sie wie auf einem Blatt der Radiererin Käthe Kollwitz, so eingefallen, die Gesichter so hoffnungslos starr. Proben die hier auf dem Gang? Sie sind so unerhört echt, diese Hoffnungslosen, Enttäuschten. 'Ist etwas passiert?' fragt Sandmenger. Die erste Webersfrau antwortet: 'Die Volksabstimmung ist abgesagt.' Da ist sie, die Wahlbombe. Die erste. Um dreiviertel acht hat der Schuschnigg im Rundfunk eine Mitteilung zu machen. Vergessen die Probe, das Theater. [...] Viermal hat der Hitler mit vorgehaltenem Ultimatum gepreßt, heute allein dreimal. Viermal nach seinem Elfstundentag zu Berchtesgaden hat der Schuschnigg zur Lage gesprochen, davon zweimal zu Arbeitern. Vielerlei hat er geredet, aber kein Wort von dem Ultimatum. Jetzt, fünf Minuten nach zwölf, spricht er davon. Und daß die Truppen des Angreifers schon im Anmarsch sind. Und: 'Wir haben unserer Wehrmacht den Auftrag gegeben, ohne wesentlichen Widerstand', er macht eine Verbesserung, 'ohne Widerstand sich zurückzuziehen.' Und zieht sich selbst zurück. Man hört noch zweimal aus seinem Mund das Wort 'deutsch', das tausendfach geschändete: 'Weil wir um keinen Preis deutsches Blut zu vergießen gesonnen sind' - viel deutsches Blut, Angstschweiß und Tränen werden vergossen werden -, so verabschiede ich mich von dem österreichischen Volk mit einem deutschen Wort.' Hände hoch! Beim vierten Anruf des Räubers hat Kurt die Hände erhoben und betet: 'Gott schütze Österreich!' Und es erklingt Streichquartett ... das Gotterhalte - es ist, als führe er selber den Taktstock. Marche funèbre. Er läßt sehr langsam spielen. Es schluchzen die Geigen. Das Volk der Geiger weint in der Welt. - Das Tausendjährige geht zugrund. Und es versinkt der edle Ritter von Schuschnigg in den Strudeln des braunen Meeres." <Also versinken alle, welche Vertrauen schenkten den Vernichtern der Menschlichkeit.>" (Frank 1998, 317-319/Ts 287-290)

Am 12. März marschieren deutsche Truppen in Österreich ein. Sie stoßen auf keinerlei Widerstand, sondern werden von einem großen Teil der Bevölkerung stürmisch begrüßt. Einen Tag danach lässt Hitler das "Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich" ausarbeiten, am 15. März wird Hitler in Wien während einer "Befreiungsfeier" stürmisch umjubelt.

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