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KAPITEL

1. Biographische Daten und Kontexte
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2. Hilde Spiel - Die hellen und die finsteren Zeiten - Erinnerungen 1911 - 1962
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3. Hilde Spiel - "Der kleine Bub Desidere" - Frühe Erzählungen
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4. Hilde Spiel - "Kati auf der Brücke", 1933
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5. Hilde Spiel - "Fanny von Arnstein oder Die Emanzipation"
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6. Hilde Spiel - "Lisas Zimmer"
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7. Hilde Spiel - "Welche Welt ist meine Welt?"
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8. Hilde Spiel - "Rückkehr nach Wien" - Ein Tagebuch
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9. Anhang
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Wilhelm Kuehs:
Hilde Spiel (1911-1990)


"Fanny von Arnstein oder Die Emanzipation" gilt als das wichtigste Werk Hilde Spiels. Es ist kein Roman im herkömmlichen Sinn und eigentlich auch keine Biographie, wie man sie erwarten würde. Tatsachen und Erfindung sind hier auf eigentümliche Weise miteinander verbunden, ohne die Darstellung der historischen Gegebenheiten unzulässig zu verfremden. Diese Art des Umgangs mit realen Vorlagen finden wir in gemilderter Form auch in den meisten anderen erzählerischen Werken Spiels. Fast hinter allen Figuren lassen sich reale Vorbilder ausmachen, ohne dass man von Schlüsselromanen im eigentlichen Sinn sprechen könnte, weil sich die Figuren nicht selten aus Facetten unterschiedlicher Personen zusammensetzen.

Die Handlung beginnt im Jahr 1776. Franziska Arnstein, geborene Itzig, und ihr Gemahl Nathan Adam Arnstein übersiedeln aus Berlin in das Wien Maria Theresias. Obwohl Kaiserin Maria Theresia, als Judenhasserin bekannt, nicht sehr schnell mit Privilegien bei der Hand war, wenn es um Untertanen mosaischen Glaubens ging, genoss die Familie Arnstein großes Ansehen im damaligen Wien. Nathan Adams Vater Isaac Arnstein war seit 1762 Hoffaktor Franz I., was den vorläufigen Gipfelpunkt des achtzig Jahre währenden Aufstiegs der Familie bedeutete. Nathan Arnstein wurde später in den Freiherrenstand erhoben. Dennoch stand er im Schatten seiner Frau, die neue Impulse im Wiener Gesellschaftsleben setzte. Klug, weltgewandt und schön war sie in einem liberalen Klima aufgewachsen und setzte ihre Vorstellungen von Geistesleben und Stil nun in Wien in die Tat um.

Zur Regierungszeit Kaisers Joseph II. begann sie gesellschaftliche Kontakte zu knüpfen und wurde bald der vielbeachtete Mittelpunkt festlicher Empfänge. Später richtete sie in ihrem eigenen Haus einen literarischen Salon ein. Auch für den Import des Weihnachtsbaumes aus Berlin gilt sie als verantwortlich.

"Mit Fanny, der Berlinerin, beginnt die Geschichte der Emanzipation in Oesterreich, aber auch die Geschichte jener jüdischen Gesellschaft von hoher Kultur und Geistigkeit, der im Wien der Jahrhundertwende Schnitzler, Hofmannsthal, Beer-Hof[f]mann und so viele andere entsprangen und die im Jahr 1938 ihr Ende fand." (H. Spiel, Exposé 1958, Österreichisches Literaturarchiv, 6, zit. Nach: Profile, 3, 1999, 37)

Während des Wiener Kongresses spielte Fanny Arnstein eine maßgebliche Rolle, wenn auch keine offizielle. In ihrem Salon trafen sich die führenden Vertreter der beteiligten Staaten, unter ihnen der Herzog von Wellington, Wilhelm von Humboldt und Fürst Hardenberg. Aus ihrer Ablehnung der Franzosen machte sie kein Hehl; sie unterstützte den Freiheitskampf der Tiroler. Nach dem Kongress zog sie sich ins Private zurück. Fanny von Arnstein starb 1818. Aber die Tradition des literarischen Salons sowie die Beteiligung an jüdischen und christlichen Wohlfahrtsvereinen wurde von ihrer Tochter Henriette Pereira-Arnstein, in deren Salon Franz Grillparzer verkehrte, weitergeführt.

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