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KAPITEL

1. Überblick über die Situation der österreichischen Exilforschung
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2. Die Jahre 1933 und 1934
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3. Politische Orientierung der Exilanten nach der Massenemigration 1938
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4. Das "andere Österreich" - die Kontroverse zwischen Lothar und Viertel
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5. Anhang
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Johann Holzner:
Österreichische Literatur im Exil


Auch unter diesen Umständen konnten Kooperationen nur in Ansätzen gelingen, mussten also wohl alle Exilanten, die trotzdem derartige Anläufe unternahmen, ähnliche Rückschläge in Kauf nehmen wie Elisabeth Freundlich. Nicht alle ließen sich dadurch entmutigen. Willy Verkauf baute in Jerusalem einen kleinen Verlag auf, unterhielt Kontakte zu Csokor, zu Frei, zu Huppert, zu Theodor Kramer in England, zu Viertel und zu Waldinger in den USA; das Free Austrian Movement in Palästina stand mit der gleichnamigen Bewegung in Großbritannien in enger Verbindung. (vgl. Verkauf-Verlon 1991) Diese wiederum entfaltete von London aus nicht nur eine rege kulturelle Tätigkeit, eifrig bemüht, das Profil spezifisch österreichischer Traditionen zu betonen und zu bewahren, sie schloss auch Hilfsorganisationen für die aus Österreich Vertriebenen und vor allem "Volksfront"-Aktivitäten" ein. Im Londoner "Austrian Centre", das sich zum bedeutendsten Versammlungsort des österreichischen Exils entwickeln sollte, wurde nämlich die praktische Arbeit in erster Linie von Kommunisten geleistet, und die Kommunisten hielten, auch wenn sie zwischen Exil-Arbeit und Partei-Arbeit strikt unterschieden, an ihrem Programm fest, eine möglichst breite Plattform aller Gegner Hitler-Deutschlands zu bilden. Das Free Austrian Movement, grundsätzlich überparteilich, bot dazu alle Voraussetzungen. Es stand auch für die katholisch-konservativen Gruppierungen offen, und wiederholt wurden die Sozialisten von den Kommunisten aufgefordert, sich der von Alfred Klahr vorgegebenen Linie anzuschließen und für die Eigenständigkeit der österreichischen Nation einzusetzen. (vgl. Maimann 1977) Das "London-Büro der österreichischen Sozialisten" verfolgte jedoch seine eigene Linie weiter und träumte zunächst von der 'gesamtdeutschen', später von einer 'gesamteuropäischen' Revolution, bis die Moskauer Deklaration über die Unabhängigkeit Österreichs auch die sozialdemokratische Emigration vor eine vollendete Tatsache stellte. (vgl. Dusek 1977; Stadler 1977)

Verkauf Verlon-Willy: Porträtfoto 1992, Wiener Atelier zeigen

Gemessen an den hochfliegenden Plänen, die eine organisatorische Zusammenfassung aller in Großbritannien ansässigen österreichischen Intellektuellen vorsahen, konnte also auch das Free Austrian Movement nur Teilerfolge erzielen. Immerhin, diese waren mehr als bemerkenswert, insbesondere angesichts der begrenzten politischen Betätigungsmöglichkeiten, die England den Asylanten einräumte. Herbert Steiner, der Sekretär der Jugendorganisation "Young Austria in Great Britain", konnte beispielsweise Verbindungen zu Albert Fuchs, Arthur Koestler, Oskar Kokoschka, Theodor Kramer, Eva Priester, Egon Wellesz und anderen bereits renommierten Persönlichkeiten knüpfen, einen Exiljugendverlag gründen, "Jugend Voran", und somit jungen Talenten, darunter Georg Eisler, Erich Fried, Eric Hobsbawm, Arthur West, zum Durchbruch verhelfen. und dem "Free Austrian P.E.N." gehörten rund 90 Mitglieder an, darunter Raoul Auernheimer, Hermann Broch, Felix Braun, Fritz Brügel, Elias Canetti, Franz Theodor Csokor, Hans Flesch-Brunningen, Alma Mahler-Werfel, Robert Musil, Hertha Pauli, Josef Luitpold Stern, Friedrich Torberg, Berthold Viertel, Franz Werfel, Hermynia Zur Mühlen, Stefan Zweig, sowie nahezu der gesamte Fördererkreis der "Young Austria"-Vereinigung. (vgl. Steiner 1991) Ab 1942 arbeitete schließlich auch der österreichische P.E.N.-Klub im Exil, unter der Führung seines Präsidenten Robert Neumann, eng mit dem Free Austrian Movement zusammen. (vgl. Amann 1984, 71 ff.)

Liste von Exil-Organisationen in Großbritannien zeigen

Die meisten österreichischen Exilanten landeten, spätestens seit sie auch aus Frankreich hatten flüchten müssen, in den USA; Günther Anders, Auernheimer, Ulrich Becher, Beer-Hoffmann, Richard Berczeller, Friedrich Bergammer, Franz Blei, Fritz Brainin, Broch, Bruckner, Ehrenstein, Alfred Gong, Hermann Grab, Mimi Grossberg, Oskar Jellinek, Lili Körber, Anna Krommer, Anton Kuh, Ernst Lothar, Soma Morgenstern, Frederic Morton, Hertha Pauli, Polgar, Felix Pollak, Peter Preses, Alexander Roda Roda, Josef Luitpold Stern, Torberg, Ullmann, Johannes Urzidil, Viertel, Waldinger, Franz Werfel, Zernatto, Otto Zoff und viele andere, die hier zu nennen wären, darunter Autorinnen und Autoren, die sich in Hollywood vollkommen assimilieren konnten, wie Vicki Baum und Gina Kaus, Frederick Kohner und Billy Wilder. (vgl. Pfanner 1984; Eppel 1991) Diejenigen, die ihre Bindungen an die alte Heimat nicht aufgaben, konnten untereinander über verschiedene Exilzeitschriften in Kontakt bleiben. Als wichtigstes Forum etablierte sich die "Austro-American Tribune", in manchem eine kleinere Parallelunternehmung zu dem von Manfred George herausgegebenem "Aufbau", deren erste Nummer 1942 herauskam. Zu ihrem engsten Mitarbeiterstab zählten Hermann Broch, Ferdinand Bruckner, Oskar Maria Graf, Heinz Politzer und Ludwig Ullmann, ihre Literaturbeilage wurde von Elisabeth Freundlich redigiert. (vgl. Freundlich 1977; Pfanner 1991) Von Anfang an stimmte der politische Kurs der "Austro-American Tribune" mit der Moskauer Erklärung vom Oktober 1943 überein; in der Frage der Planung für die Zeit nach dem Krieg brachen indessen die Risse, die das 'andere Österreich' schon immer charakterisiert hatten, ein letztes Mal auf, und zwar in der Kontroverse zwischen Ernst Lothar und Berthold Viertel.

Austro-American Tribune zeigen

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