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KAPITEL

1. Ein Klassiker der Moderne
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2. "Prägungen"
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3. Grundlageninformationen
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4. Die Figur des Zacharias in "Methodisch konstruiert"
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5. Literarischer Text und soziologische Studie
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6. Anhang
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Markus Kreuzwieser:
Der "Weg vom Schäbigen ins Ewige". Zu Hermann Brochs "Methodisch konstruiert"


"Da aber solches Leben nun schon einige Jahre währte, war es an der Zeit, daß die bereits angedeutete erotische Erschütterung eintrat. Und es wäre eine gezwungene und unnatürliche Konstruktion, wenn sich dem Zacharias ein anderes als ein ganz naheliegendes Komplement, nämlich seiner Hauswirtin Töchterlein - Philippine sei sie genannt - beigesellt hätte. Es entsprach der Weibauffassung des Zacharias, jahrelang ohne irgend einen Wunschgedanken neben einem Mädchen einherleben zu können-, und wenn dieses Negativum den Wünschen des Mädchens vielleicht auch nicht entsprochen hätte, er wäre sicherlich nicht der Mensch gewesen, bürgerlich-mädchenhaftes Seufzen zu verstehen. Sohin kann ohne weiteres genommen werden, dass Philippinens Phantasie, wie immer sie sich auch mit dem Zacharias befaßt hätte oder nicht, nunmehr auf auswärtige Objekte gerichtet war, und man wird nicht fehlgehen, ihr romantischen Charakter zuzusprechen." (Hermann Broch: Die Schuldlosen. Kommentierte Werkausgabe Band I/5, 35 f.)

Philippine wird im Weiteren als Mädchen vorgestellt, dass von der großen, einzigen und wunderbar romantischen Leibe träumt, von einem Mann, der sie aus ihren kleinen Verhältnissen herausholt. Sie beginnt mit Zacharias eine Beziehung, deren Zustandekommen und deren Grundlagen von Broch folgendermaßen beschrieben wird:

"In solcher Sphäre (ihren romantischen Träumen, M. K.) lebend, hatte sie kaum mehr Augen für den Zacharias, nicht etwa seiner graugestrickten Socken wegen, die sie ausbesserte - auch den Schnellzugsgeliebten (ihr Traumbild des ersehnten Mannes, M. K.) würde sie nicht anders als grausockig präzisiert haben -, wohl aber wegen der IV. Klasse, in der Zacharias seine Sonntagsausflüge mit Rucksack und Gamsbart besorgte; sie bemerkte kaum mehr seine Anwesenheit, und selbst der Hinweis auf seine Pensionsfähigkeit hätte nicht vermocht, ihr Blut rascher fließen zu lassen. Wahrlich, nur raumzeitliche Zufälligkeit ermöglichte es, daß diese beiden Menschen aneinander gerieten; in Dunkelheit und aus wirklichem Zufall begegneten sich ihre Hände, und das Begehren, das da jäh zwischen Männer- und Frauenhand emporflammte, es tat's zu ihrem eigensten Erstaunen. Philippine sprach die reinste Wahrheit, als sie, an seinem Hals hängend, wiederholte: "Ich wußte ja nicht, daß ich dich so liebhabe", denn das hatte sie tatsächlich vorher nicht gewußt. Zacharias fühlte sich durch den neuen Sachverhalt einigermaßen beunruhigt. Er hatte nun den Mund stets voller Küsse, und stets sah er die Türwinkel ihrer Umarmungen, die Bodenstiege ihrer raschen Zusammenkünfte vor sich. Schläfrige Pausen erlebte er am Katheder, er kam mit dem Lehrstoff nur ruckweise vorwärts, hörte den Prüflingen nur zerstreut zu und schrieb indessen "Philippine" oder "Ich habe dich lieb" aufs Löschblatt, dies jedoch niemals in normaler Buchstabenfolge, sondern er verteilte, damit des Herzens Geheimnis sich nicht verrate, die Buchstaben willkürlich erklügeltem Schlüssel über das ganze Löschblatt wobei die nachträgliche Wiederzusammensetzung der magischen Worte ein zweites Vergnügen an ihnen ergab. Die Philippine, der er dabei über alle Maßen gedachte, war freilich nur die ihrer flüchtigen Geschlechtsbereitschaft: hinter den Türen Geliebte, hingegen in der Öffentlichkeit normale Gesprächspartnerin, mit der man vom Essen und der Häuslichkeit redete, war ihm das Mädchen doppeltes Lebewesen geworden, und während er des einen Namen sehnend aufs Löschpapier malte, war ihm das andere gleichgültig wie ein Möbelstück." (Hermann Broch: Die Schuldlosen. Kommentierte Werkausgabe Band I/5, 37)

In weiterer Folge spitzen sich die Widersprüche zu, denn Philippine meint zu erkennen: "'Du liebst nur meinen Körper': zwar hätte sie nicht zu sagen vermocht, was sonst Liebenswertes an ihr zu finden gewesen wäre, und wahrscheinlich hätte sie sich sogar wohl jede andere Art von Liebe verwundert verbeten, aber das war weder ihr noch ihm bekannt, und sie empfanden die aufgeworfene Tatsache als Kränkung." (Hermann Broch: Die Schuldlosen. Kommentierte Werkausgabe Band I/5, 38)

Aufgabe:

Wechseln Sie nun wieder in das ARBEITSBLATT, um eine weitere Frage (Frage 2.7.) zu beantworten. Rufen Sie, bitte, dazu wieder Ihr schon gespeichertes Arbeitsblatt von dem von Ihnen gewählten Speicherplatz auf. Vergessen Sie nicht, Ihre Arbeitsergebnisse im Anschluss wieder unter demselben Filenamen auf Ihrem PC oder Ihrer Diskette zu speichern.

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