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KAPITEL

1. Australien
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2. "Österreichisches" Exiltheater und -kabarett
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3. Frühe Reaktionen (1941-1950)
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4. Hochblüte (1950-1960)
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5. Sprach- und Identitätswechsel (1957-1973)
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6. Anhang
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Birgit Lang:
"The Earnestness of being Importer." "Österreichisches" Theater und Kabarett im australischen Exil


So ist das angeblich vom Emigranten Peerless bearbeitete Stück "Three Cohens in the Mountains" eine Anspielung auf den US-amerikanischen Film "Three Coins in the Fountain", der 1954 auf den Markt kam. Er handelt von drei amerikanischen jungen Frauen, die alle versuchen, in Rom glücklich zu werden und die Liebe ihres Lebens zu finden. Der Fontana di Trevi Brunnen, eines der Wahrzeichen von Rom, gewährt ihnen, nachdem sie eine Münze in diesen geworfen haben, ihre Wünsche. Im Australien der Emigrant/inn/en - der Name Cohen verweist auf die Emigrant/inn/enszene - ist nicht Rom - wie in "Three Coins in the Fountain" - der romantische Ort, sondern Katoomba, ein kleiner beliebter Ferienort der Emigrant/inn/en in den Sydney vorgelagerten Blue Moutains. Der Bezug auf Oscar Wildes Stück 'The Importance of Being Earnest', deutsch 'Bunbury' oder es ist wichtig, ernst zu sein, baut auf dem vorangegangenen Wortspiel auf. Der Kontext Komödie ermöglicht den Sprung von 'Three coins in the fountain zu 'The Importance of Being Earnest' (1952 verfilmt). Dessen Inhalt spielt für den Witz keine große Rolle mehr, da dieser hauptsächlich auf der Verkehrung des Komödientitels beruht: aus 'The Importance of Being Earnest' wird jetzt 'The Earnestness of being importer', also die Ernsthaftigkeit, Importeur zu sein. Dies wiederum ist eine facettenreiche Anspielung auf die Position der Emigrant/inn/en selbst. Sie importierten und adaptierten Kultur, aber auch Waren (Karl Bittman etwa verdiente sich sein Geld als Importeur und Exporteur), sie waren selbst "importiert" und "adaptiert". Und wenn man die Bezugnahme auf den Spielfilm "Carmen Jones" - der Regisseur war der bereits 1935 aus Österreich emigrierte Otto Preminger - als Auflösung dieser kleinen Szene betrachtet, so wird eines der Prinzipien nicht nur des Kleinen Wiener Theaters, sondern des Exiltheaters in Australien generell, klar: das beständige Spiel mit und die beständige Bezugnahme auf unterschiedliche kulturelle Kontexte, um die eigene Situation besser fassen und gestalten zu können.

Vor diesem Hintergrund erscheint das Attribut "österreichisch" für das australische Exiltheater und -kabarett nicht ganz zutreffend. Die Emigrant/inn/en bezogen sich im Theater und Kabarett nicht nur auf österreichische, sondern auch auf australische, US-amerikanische und jüdische Zusammenhänge. Die meisten von ihnen hatten ihre europäische Staatsbürgerschaft abgelegt und waren Mitte der vierziger Jahre australische Staatsbürger/innen geworden. Wohl stammten ein Teil des Publikums sowie der Großteil der Gründer/innen der australischen Exiltheater aus Österreich. Und die Emigrant/inn/en bezogen sich im Kabarett auf Wien und in der Auswahl der Stücke teilweise auf die Spielpläne Wiener Bühnen. Doch wenn die Emigrant/inn/en, egal ob sie deutscher, österreichischer, ungarischer oder tschechoslowakischer Herkunft waren, sich auf Wien als Heimat bezogen, machte sie das nicht unbedingt zu Österreicher/innen. Vielmehr stellt sich die Frage, wieso Wien eine dermaßen prominente Rolle einnehmen konnte. Der vielleicht wichtigste Grund lag in der Migrationsgeschichte der Emigrant/inn/en begründet. Obwohl wesentlich mehr Flüchtlinge aus Deutschland als aus Österreich in Australien eintrafen, bildeten die Österreicher/innen eine relativ homogene Gruppe, da der überwiegende Teil derselben aus Wien stammte oder vor der Vertreibung in Wien gelebt hatte. Außerdem bot Wien als ehemaliges Zentrum der k. und k. Monarchie eine Identifikationsmöglichkeit für die ungarischen und tschechoslowakischen Flüchtlinge, welche in der jüdischen Herkunft der Vertriebenen begründet war (zum Habsburgbild der österreichischen Juden und Jüdinnen vgl. Hacohen 1999, Rechter 2000). Für die Gruppe der Ungar/inne/n nichtjüdischer Herkunft beispielsweise wäre eine Identifikation mit Wien nur schwer möglich gewesen, da der nationale Loslösungsprozess Ungarns von der Habsburgermonarchie positiv gesehen wurde, während für die jüdische Bevölkerung letztere als Symbol der Toleranz galt. Ein weiterer Umstand, der für die Wahl Wiens als Symbol der ehemaligen Heimat spricht, ist die Tatsache, dass nach dem Bekanntwerden des Ausmaßes der Shoah eine Bezugnahme auf Deutschland schwerer als auf Österreich fiel.

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