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KAPITEL

1. Klassisches Exilland - Mythos und Realität
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2. Zur Asylpolitik der Schweiz
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3. "Das Boot ist voll". Maßnahmen gegen unerwünschte Flüchtlinge
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4. Asylgewährung
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5. Hilfsorganisationen
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6. Die Internierung von Flüchtlingen
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7. Paul Grüninger
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8. Österreichische Exilantinnen und Exilanten in der Schweiz
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9. Transitland Schweiz
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10. Vom Leben im Schweizer Exil
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11. Das Zürcher Schauspielhaus
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12. Rückkehr
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Exilland Schweiz


Unter seiner Leitung wurden die Klassiker Herzstück des Spielplans, mit "Götz von Berlichingen", "Maria Stuart", "Iphigenie", "Don Carlos", "Wilhelm Tell", "Faust I/II" wurde ein Programm gestaltet, das "durch den Begriff der Humanität am besten umschrieben wird." (Mittenzwei 1979, 106) Der in Hitlerdeutschland verbotene "Nathan" sollte ebenso wie die Werke von Shakespeare, Schiller, Goethe, aber auch Ibsen, Tolstoi, Tschechow, Gorki eine humanistische Haltung ausdrücken, für die Wälterlin 1939 das Motto der "Bereitschaft" geprägt hatte. (vgl. Mittenzwei 1979, 106) Oskar Wälterlin schrieb im Rückblick 1945:

"Wo früher die Tirade und die große Gebärde uns über unser Leid hinweggleiten ließen und uns eine unklare heroische Größe vortäuschten, deren Verehrung einer ganzen Generation schließlich zum Verhängnis werden konnte, ist das Leben unserer ehemaligen Heroen jetzt allen Zaubers entledigt, tritt uns nahe, als wäre es unser eigenes Leben, und spricht zu uns mehr von dem Leid als von der Größe." (zit. nach Mittenzwei 1979, 150)

Schiller, Friedrich: Wilhelm-Tell-Aufführung am Zürcher Schauspielhaus 1938/39 zeigen

Waren bereits zuvor österreichische Schauspieler aus Hitlerdeutschland nach Zürich gekommen, so flüchteten 1938 weitere Theaterleute aus Österreich in die Schweiz. Sie betrachteten diese oft nur als Zwischenstation, aber durch ihr Engagement ans Zürcher Schauspielhaus wurde sie ihnen zum Exilland. Zu ihnen gehörten Karl Paryla, Maria Becker, Margarete Fries, Hortense Raky. Im Ensemble existierten unterschiedliche politische Haltungen, die aber durch das Bestreben, dem Nationalsozialismus Widerstand entgegenzusetzen, zusammengehalten wurden. Am Haus gab es eine kommunistische Zelle, der unter anderem Wolfgang Langhoff, Wolfgang Heinz, Karl Paryla und Teo Otto angehörten, und die aufgrund der Schweizer Flüchtlingsbestimmungen illegal operieren musste. Sie hielt Kontakt zur Abschnittsleitung Süd der illegalen KPD und organisierte den Versand von Flugblättern an in Deutschland lebende Personen. In den letzten Kriegsjahren entstanden, von österreichischen Ensemblemitgliedern erarbeitet, Konzepte für einen Neubeginn von Kultur und Theater im befreiten Österreich. (vgl. Theater. Meinungen und Erfahrungen 1945; Roessler, Kaiser 1989)

Die Arbeitsbedingungen am Zürcher Schauspielhaus waren sehr hart und dürfen im Rückblick auch nicht idealisiert werden. Trotz des großen Anspruchs erschöpfte sich die Vorbereitung - bei zeitweilig einer Premiere pro Woche - oft im Textlernen und die Probenzeit im Grundriss der Stellungen auf der Bühne. Dennoch entstand eine Situation, die zu einem qualitativen Maßstab für künftige Theaterarbeit werden konnte:

"Weit stärker als bei den anderen Künsten ist die darstellende Kunst wohl von einer Entfremdung zwischen den eigenen Wünschen und dem Verwirklichten geprägt. Die sich von Inszenierung zu Inszenierung wandelnden Bedingungen, können zu Brüchen in der Leistung des Einzelnen führen, die kaum auszugleichen sind, und mit dem Grad der Fremdbestimmung rasch zum Verfall in Routine oder zur Erstarrung in Typologie führen. Unter den widrigen Arbeitsbedingungen des Exils, der Probenhetzjagd und des Bangens um die Aufenthaltsgenehmigung gab es wohl ein Phänomen, das man als ein zu Sich Selbst Kommen der Bühnenkünstler beschreiben könnte. Hieraus entstand auch so etwas wie eine Werkstatt des Zukünftigen, die zu den programmatischen Entwürfen für ein Theater nach der Befreiung vom Faschismus führte, als deren wesentliche praktische Konsequenz dann das Neue Theater in der Scala anzusehen ist." (Roessler, In: MdZ 1/97, 21)

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