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KAPITEL

1. Politisches Kabarett
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2. Blaue Blusen/Rote Spieler
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3. Jüdisch-Politisches Cabaret
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4. Der liebe Augustin
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5. Die Stachelbeere
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6. Die Seeschlange
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7. Literatur am Naschmarkt
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8. ABC
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9. Anhang
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Herbert Staud:
Die Wiener Kleinkunst der Zwischenkriegszeit im Widerstand gegen den Faschismus


4. Die allgemeine Aussage, die in den ersten zwei Zeilen des Gedichtes getroffen wird, stellen wir uns jetzt in den Zeilen 3 bis 6 bildhaft vor: Dabei beginnen wir sanft. Dass Arbeitslose faul herumkugeln, entspricht der ironischen Grundhaltung dieser Verse, aber in den Zeilen 5 und 6 wollen wir ein ganz wichtiges Mittel der Satire einsetzen: die Übertreibung. Wir tun also so, als hätten Arbeitslose nicht nur den Vorteil des Nichtstuns auf ihrer Seite, sondern als würden sie dafür auch noch bezahlt, und zwar so fürstlich, dass sie ein luxuriöses Nachtleben führen können. Gleichzeitig aktivieren wir bei unserem Arbeiterpublikum ihr Bewusstsein über die tatsächlichen Gegebenheiten; nämlich darüber, dass die Arbeitslosenunterstützung Zug um Zug gekürzt wurde und die Zahl der Ausgesteuerten (Langzeitarbeitslose, Jugendliche, Frauen ohne Unterstützung) beständig anwuchs.

Arbeitslosen-Statistik der Ersten Republik zeigen

5. Mit Beginn der zweiten Strophe (7. und 8. Zeile) sprechen wir unser Publikum wieder an, diesmal in Form einer rhetorischen Frage. Als Antwort setzen wir ein weiteres beliebtes Mittel der Satire ein: die Vorführung der verkehrten Welt. Besonders beliebt ist dabei die Umkehrung des Herr-Knecht-Verhältnisses. Das wollen auch wir durchführen, und zwar in den Zeilen 9 bis 12. Im Spätmittelalter und am Beginn der Neuzeit betrieb man damit die Ständesatire und in der Reformationszeit wurde der Papst von den Protestanten gerne als Antichrist (Teufel) dargestellt. Die Demonstration der verkehrten Welt ist ein beliebtes Mittel gerade des politischen Kabaretts.

6. Zu Beginn der dritten Stophe (Zeilen 13 und 14) gebrauchen wir das satirische Mittel der Ironie: Wir wollen die sündhafte Ursache benennen, warum die Welt auf dem Kopf steht: Nach Meinung der Christlichsozialen bestand die Sünde in der Reformpolitik der Sozialdemokraten zu Beginn der Ersten Republik. Die angesprochene Zuhörerschaft weiß jedoch genau, dass die Kabarett-Vortragenden nicht dieser Meinung sind.

Sozialgesetzgebung unter F. Hanusch zeigen

7. In den folgenden Zeilen 15 bis 17 wollen wir nun ein Rezept geben, wie die Sünde aus der Welt zu schaffen ist. Dazu verwenden wir ein Zitat des Prälaten Seipel. Dieser hatte die sozialen Errungenschaften - obwohl nicht Ergebnis einer Revolution, sondern parlamentarischer Beschlüsse - als revolutionären Schutt bezeichnet, den es zu beseitigen galt.

"Die Konzepte, mit denen maßgebliche Kreise der Industrie und der Banken die Krise bewältigen wollten, waren sehr einfach: Sie forderten nichts weniger als die Rückkehr zur Zeit vor 1918 - Senkung der Löhne, Abbau der Sozialabgaben und Steuern, Einschränkung der Arbeiterrechte in der Betriebserfassung und eine willfährige Zoll- und Handelspolitik. Auf politischem Gebiet verlangten sie die Fernhaltung der Sozialdemokratie von der Regierung, obgleich sie die stärkste Partei des Landes war;" (Maimann, Mattl 1984, 11)

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