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KAPITEL

1. Biographische Daten und Kontexte
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2. Hilde Spiel - Die hellen und die finsteren Zeiten - Erinnerungen 1911 - 1962
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3. Hilde Spiel - "Der kleine Bub Desidere" - Frühe Erzählungen
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4. Hilde Spiel - "Kati auf der Brücke", 1933
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5. Hilde Spiel - "Fanny von Arnstein oder Die Emanzipation"
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6. Hilde Spiel - "Lisas Zimmer"
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7. Hilde Spiel - "Welche Welt ist meine Welt?"
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8. Hilde Spiel - "Rückkehr nach Wien" - Ein Tagebuch
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9. Anhang
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Wilhelm Kuehs:
Hilde Spiel (1911-1990)


Es gibt noch einen zweiten Mann in Leles Leben, den deutschstämmigen Ned Klotz. Der blinde Mann rührt Lele zwar, aber er ist ihr zu harmlos. Die Familie versucht sie zu vereinnahmen. Das ist ihr unangenehm. Vielleicht ist das als Widerstand Leles gegen die europäische Form der Wohlanständigkeit zu werten?

Lisa bricht endgültig zusammen. Ein befreundeter Chirurg diagnostiziert einen Tumor. Lisa wird operiert. Aus Pflichtbewusstsein kehrt Jeff zu ihr zurück. Lisa wird aus dem Krankenhaus entlassen, nimmt aber ihr früheres Leben nicht wieder auf. Sie verbarrikadiert sich in ihrem Zimmer, als wäre es eine Trutzburg gegen die hässliche Außen-Welt, der sie nicht gewachsen ist. Dabei droht Gefahr gar nicht von jenem agilen Amerika, das ihr solche Angst macht; die Gefahr entfaltet sich gleichsam aus Lisas labilem Inneren heraus.

Katharina Langendorf, die Psychoanalytikerin aus Wien und Kontrahentin in Liebessachen, ist es, die Lisas gezielt und kaltblütig zerbricht. Sie nutzt eine Gelegenheit, um allein mit Lisa zu sprechen, und eröffnet, was man ihr bisher verschwiegen hatte: Sie sei unheilbar krank und finanziell am Ende. Ersteres zumindest war eine Lüge. Nur sie, Katharina Langendorf, sei es gewesen, die sie die letzten Jahre mit Krediten über Wasser gehalten hätte. Nach dieser Offenbarung zieht sich Lisa vollständig von der Welt zurück. Sie verweigert sich selbst Lele und Jeff, ist unberechenbar in ihren manisch-depressiven Stimmungsschwankungen.

"Das Rad drehte sich immer rascher, der Kreislauf ihrer hochfliegenden und niedergedrückten Launen spulte sich eilig ab. [...] Selbst in ihren besten Augenblicken war sie jetzt bösartig, was sie nie zuvor gewesen war, und verletzte mich mit ihren Bemerkungen, gegen die ich mich nicht wehren konnte. [...] jedenfalls unternahm niemand den Versuch, ihren Ritt ins Verderben aufzuhalten. Lisa löste sich vor unseren Augen auf, und keiner tat etwas dagegen." (Spiel 1990, 168 f.)

Lisa gibt noch einmal eine Party - ein makaberes Totenfest zu ihren eigenen Ehren. Der Verfall ihrer Kräfte, das Schwinden ihres einstigen Glanzes ist unübersehbar.

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