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Konstantin Kaiser:
Berthold Viertel (1885-1953)
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Karl Kraus hat Viertel den ,Weg in die Literatur' geöffnet, Gedichte, Aufsätze, Rezensionen Viertels 1910/11 in der "Fackel" publiziert, 1913 dessen ersten Gedichtband "Die Spur"beim Verlag Kurt Wolff initiiert, zusammen mit seinem Freund Ludwig Münz das Ensemble "Die Truppe" in Berlin 1923/24 finanziell unterstützt und vor dem Bankrott bewahrt; noch nach seinem Tod ist Kraus' Freundschaft in dem Projekt gegenwärtig, Viertels Gedichtband "Österreichische Elegie" im Verlag des Buchhändlers Richard Lanyi in Wien herauszubringen (das Buch war bereits gesetzt, als Hitlers Überfall auf Österreich die Zerstörung des Stehsatzes aus "Sicherheitsgründen" ernötigte). Für den Theaterregisseur Viertel prägte Kraus die Worte ("Dankschreiben an Berthold Viertel", 1924):
"Was ich Dir - über alles Wohlgefallen an der Meisterung dessen, was sie ermöglicht hat - ohne Gegenseitigkeit schulde, ist die Erfahrung, daß Regie überhaupt eine Art des wesentlichen Ausdrucks, mithin Kunst ist und etwas anderes als das von mir mißachtete Manöver der Ablenkung vom Niveau einer dem Wort abtrünningen Zeit- und Theatermenschheit, als die lästig gefühlte Zutat eines Unwesens oder als die Schrulle, über solche Niederung die Treppe zu bauen, die nirgendwohin führt."
Viertel, Berthold: Alles um Geld zeigen
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In einem Punkt blieben Kraus und Viertel auf immer entzweit: in der Stellungnahme zur blutigen Niederwerfung des Aufstandes der österreichischen Arbeiter gegen die Diktatur des Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß im Februar 1934. Christopher Isherwood hat in seinem Roman "Prater Violet" (New York 1945) die leidenschaftliche Reaktion Viertels auf die Nachrichten aus Österreich überliefert. (Viertel drehte in London den Film "Little Friend"; Isherwood war Mitverfasser des Drehbuchs.) Gegen die Gleichgültigkeit der Engländer den kontinentalen Ereignissen gegenüber soll er schon damals in einem Wissen um das Kommende aufbegehrt haben:
Februar 1934 zeigen
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"Ich verlange von dieser gottverdammten Insel, dass sie sich darum kümmert. ... wenn sie sich nicht darum kümmern, dann werden sie es eines Tages müssen. (...) Man wird euch mit Bomben bewerfen und abschlachten und überwältigen."
Was hingegen Kraus, so Viertel, "im Jahre 1934 durch die Totengräber der Republik für errettbar hielt, war der letzte Fleck deutschsprechender Zivilisation, die Österreich hieß ... Er beging den großen, ihm sonst so unähnlichen Fehler, sich verzweifelt an das vermeintlich kleinere Übel zu klammern, das doch das größte notwendigerweise im Gefolge hatte." (Manuskript im Nachlass, New York 1944)
Viertel, Berthold: Rede für Karl Kraus zeigen
Kraus, Karl: Traumstück zeigen
Viertel, Berthold liest Karl Kraus
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