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KAPITEL

1. Klassisches Exilland - Mythos und Realität
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2. Zur Asylpolitik der Schweiz
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3. "Das Boot ist voll". Maßnahmen gegen unerwünschte Flüchtlinge
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4. Asylgewährung
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5. Hilfsorganisationen
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6. Die Internierung von Flüchtlingen
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7. Paul Grüninger
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8. Österreichische Exilantinnen und Exilanten in der Schweiz
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9. Transitland Schweiz
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10. Vom Leben im Schweizer Exil
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11. Das Zürcher Schauspielhaus
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12. Rückkehr
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13. Anhang
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Ulrike Oedl:
Exilland Schweiz


Am 29. September 1939, wenige Wochen nach Ausbruch des 2. Weltkrieges, starb Hermann Schwarzwald in Zürich. Bis zu seinem Tod hatte Eugenie Schwarzwald die Hoffnung, noch einmal von vorne beginnen zu können und eine Reformschule zu eröffnen, wie aus dem Briefwechsel mit Robert Musil in Genf hervorgeht. Noch zu Weihnachten 1939 begann sie sich sozial für Flüchtlinge zu engagieren. Sie verschaffte Exilant/innen Geld, um ihnen die Weiterreise zu ermöglichen; vermittelte Adoptionen; beschaffte Lebensmittel. Am 7. August 1940 starb Eugenie Schwarzwald in Zürich.

Das Exil von Robert Musil und seiner Frau Martha begann Mitte August 1938, da beiden der Grenzübertritt in Landeck zu riskant war, reisten sie über Italien in die Schweiz ein. Die Schweiz blieb ihr Exilland, obwohl sie so rasch wie möglich weiterflüchten wollten. Robert Musil erschien die Schweiz schon aufgrund ihrer Nähe zum nationalsozialistischen Deutschland als sehr unsicheres Exilland. Auch empfand er, wie sein Tagebuch bezeugt, die Schweizer Verhältnisse als restriktiv und eng. (vgl. Musil 1955, 520) Musil hoffte auf ein Visum für die USA, für Schweden, Frankreich oder England. Trotz der Unterstützung einiger prominenter Schriftstellerkollegen, unter ihnen Thomas Mann, gelang dies nicht. Zur Sicherheit aber erwarb Musil ein Visum für Shanghai, um im Notfall das Land sofort verlassen zu können. (vgl. Hoerschelmann 1995, 305)

Musil, Robert zeigen

Musil hielt lange die Fiktion aufrecht, als sei er gar nicht im Exil. Den Schweizer Behörden gab er bekannt, er habe seine Reise aus Krankheitsgründen unterbrechen müssen und sei deshalb nicht nach Wien zurückgekehrt. Auf diese Weise behielt er seinen deutschen Pass und wurde von Deutschland nicht ausgebürgert. Auch die Wiener Wohnung gab Musil jahrelang nicht auf. Allerdings wurde sein "Mann ohne Eigenschaften" 1939 auf die Liste "des schädlichen und unerwünschten Schrifttums" der RSK gesetzt, 1941 wurde das Gesamtwerk verboten.

Die Schweizer Fremdenpolizei genehmigte dem Ehepaar Musil den Aufenthalt, wie üblich war daran ein Arbeitsverbot geknüpft, und alle zwei Monate musste um Verlängerung angesucht werden. Die Mitarbeit an Zeitungen und Zeitschriften war Musil verboten, er durfte keine Vorträge halten und auch keine Stelle als Lektor annehmen. Die materielle Situation Musils war verzweifelt. Eine Unterstützung durch den Schweizerischen Schriftstellerverein (SSV) war nicht zu erwarten, dieser hatte gute Verbindungen zur Eidgenössischen Fremdenpolizei und praktizierte seine eigene Politik "zum Schutze einheimischer Schriftsteller".

Robert und Martha Musils Rettung war die Hilfe des evangelischen Pfarrers Robert Lejeune, der sich schon für den 1934 in Altaussee verstorbenen Schriftsteller Jakob Wassermann und für den Bildhauer Fritz Wotruba eingesetzt hatte. Lejeune unterstützte das Ehepaar Musil, er half mit eigenem Geld und veranstaltete Sammlungen. Das rettete Robert und Martha Musil vor der "Ausschaffung". Dennoch war mit dieser Rettung durch finanzielle Unterstützung keinerlei Gefühl der Sicherheit verknüpft. Das bezeugt ein Brief Musils vom 15. Oktober 1939 an die kantonale Fremdenpolizei in Zürich:

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